Interview zum Thema: Die Wahrnehmung und Stärkung der Kompetenzen hochsensibler Kinder (und Erwachsener)

▶ Facharbeit „Die Wahrnehmung und Stärkung

der Kompetenzen hochsensibler Kinder im Kindergarten- und Hortbereich“

 

▶ Befragung zum Thema „Hochsensible Kinder“ von:

Miriam-Sophie Patsch

 

▶ Antworten von: 

Antje Jacobs


Auf der Suche nach Experten zum Thema Hochsensibilität bin ich nun auf Ihren Kontakt gestoßen. Würden Sie sich bitte kurz vorstellen und erläutern was genau Sie in Ihrer Arbeit, im Hinblick auf die Hochsensibilität aber auch gern im Allgemeinen, machen?

 

Ich lebe seit 5 Jahren meine Berufung als Bewusstseinstrainerin und Coach zum Thema echtes und bewusstes Menschsein und menschgerechtes Leben.

Meine Kunden und Kundinnen sind vor allem hochsensible Menschen, die zu sich selbst finden wollen und lernen wollen, ihre HS anzunehmen und als Stärke zu leben.

Die größten Hürden, Blockaden dabei sind verschiedene Glaubenssätze, Denk- und Verhaltensmuster und Abhängigkeitsbeziehungen, Verstrickungen mit anderen Menschen.

 

Derzeit konzentriere ich mich mehr auf meine Öffentlichkeitsarbeit.

Ich möchte Bewusstsein zum Thema echtes und bewusstes Menschsein und menschgerechtes Leben vermitteln.

Mit geht es dabei vor allem um mehr Verständnis für das Kind sein und die Zusammenhänge zwischen Kind sein und Erwachsen sein.

 

Hochsensibilität ist ein Thema, welches in den letzten Jahren mehr und mehr an Aufmerksamkeit gewonnen hat aber insgesamt noch ein sehr unbekannter Begriff in der Gesellschaft ist, obwohl angeblich 15-20% der Menschen hochsensibel sein sollen.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Begriff „Hochsensibilität“ und dessen Bedeutung in Berührung gekommen?

 

Ich bin 2008 damit in Berührung gekommen und war davon sehr berührt.

Ich habe mich dadurch endlich viel besser verstanden. Es war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu mir selbst, der ja mein ganzes Leben lang geht.

 

Speziell für die Hochsensibilität gibt es keine genaue Begriffsbestimmung. Oft wird aber von einem Persönlichkeits- bzw. Temperamentsmerkmals gesprochen. Allerdings umfasst diese Beschreibung nicht das facettenreiche Spektrum des Phänomens Hochsensibilität – besonders im Hinblick darauf, wenn man es anderen Menschen, die nicht hochsensibel sind, erklären möchte.

Wie würden Sie, für sich persönlich, Hochsensibilität definieren oder erklären?

 

Ich sehe HS als eine Veranlagung, mit der Menschen sensitiver wahrnehmen können als andere. Sei es beim Riechen, Hören, Sehen oder Fühlen oder das feinfühlige Wahrnehmen von Stimmungen, Gefühlszuständen und Energien.

Mit meinem heutigen Wissen würde ich auch sagen, dass viele dieser Menschen weniger manipulierbar sind, weil sie eine „Antenne“ dafür haben, was echt und ehrlich ist und wenn etwas nicht stimmt.

 

Das hat als negative Folge, dass diese Menschen auch schneller belastet sein können, da sie ja schneller „voll“ mit Wahrnehmungen sind.

Wie ein Schwamm, der mehr mit Wasser getränkt ist als ein anderer.

Man braucht mehr Rückzug und Pausen, um das wahrgenommene zu verdauen, zu verarbeiten und sich zu regenerieren und auszugleichen.

Achtet man nicht darauf, kann man schnell Symptome wie dauerhafte Erschöpfung bis hin zum Burnout bekommen, obwohl man im Außen vielleicht gar nicht viel getan hat (ja nach dem wie hoch der eigene  Maßstab ist).

 

Was genau fanden Sie besonders interessant an der Thematik „Hochsensibilität“?

 

Dass es eine bestimmte Gruppe von Menschen beschreibt und diese Menschen dadurch sich selbst besser verstehen können.

Diese Menschen verbindet häufig, dass sie sich oft als „anders“ und daher als Außenseiter gesehen haben. Dass sie von anderen nicht verstanden wurden.

Sie bekommen durch das Bekannterwerden dieses Themas mehr Selbst-Bewusstsein. Sie können ihre Sensitivität als Stärke sehen und nutzen.

Welcher Grund hat Sie schlussendlich dazu bewegt dieses Thema in ihre Arbeit einzubeziehen, sodass sie als Coach beratend unterstützen?

 

Menschen darin zu stärken HS als Stärke an-zuerkennen und als Potenzial zu leben.

Ich habe außerdem durch meine öffentlichen Beiträge Bewusstsein zu diesem Thema vermittelt.

 

In den folgenden zwei Fragen möchte ich kurz auf die Diagnose von Hochsensibilität eingehen. Nun ist mir bereits durch verschiedene Bücher bewusst geworden, dass eine „richtige“ Diagnose, an sich, nicht stattfinden kann – besonders da die Hochsensibilität, im Gegensatz zu anderen Themen, in der Forschung noch relativ am Anfang steht. Es gibt zwar verschiedene Tests, wie beispielsweise von Elaine N. Aron, doch auch dort kann natürlich keine hundertprozentig sichere Diagnose stattfinden.

Auch im Hinblick auf die Kinder ist es so für Eltern aber auch pädagogische Fachkräfte oder LehrerInnen schwierig herauszufinden, ob ein Kind hochsensibel ist oder nicht.

Wie stehen Sie zur Diagnose Hochsensibilität? Kann man genaue Diagnosen stellen oder sollte man eher vorsichtig damit umgehen und von einem sensiblen oder feinfühligen Charakter sprechen?

 

Ich persönlich sehe es als richtig und wichtig an, dass wir bei einem Kind von „einem sensiblen oder feinfühligen Charakter sprechen“. Man kann gerne das Wort hochsensibel dazu sagen, was aber vielleicht falsch verstanden werden kann.

Die „Diagnose“ HS sagt auch nur in einem bestimmten Teil etwas über das Kind aus. Es gibt zum Beispiel ruhige wie auch lebhafte Kinder, die hochsensibel sein können.

Diagnose würde ggf. mit Krankheit gleichgesetzt, das ist HS aber nicht.

 

Wenn ein Kind z.B. in einer Einrichtung wie Kita oder Schule Probleme mit bestimmten Umständen haben sollte und die Eltern eine HS vermuten, ist meiner Ansicht nach folgendes wichtig, damit das Kind optimal unterstützt und gestärkt werden kann:

Die Eltern sollten selbst zu sich und ihrer eventuellen HS stehen (mindestens ein Elternteil hat es meist auch). Oder ganz allgemein zu sich selbst stehen.

Sie sollten dem Kind vorleben, dass es Ok ist, so wie es ist. (was auch für alle anderen Kinder gilt). Sie sollten das Gespräch mit den Erziehern oder Lehrern suchen und gemeinsam nach Lösungen schauen.

Dabei kann das Thema HS angesprochen, aber weder überbetont noch runtergedrückt werden. Es sollte selbstverständlich anerkannt werden.

 

Die Thematik HS ist vor allem dafür gut, dass wir insgesamt über unser Menschsein, unser gesellschaftliches Miteinander wie auch das Schulsystem mehr nachdenken. Eine Diagnose brauchen wir nur in einem System, wo wir uns für Verhalten rechtfertigen müssen.

Menschen die HS sind, kann man wie einen Seismografen sehen. Wenn sie sich wegen etwas längere Zeit unwohl fühlen, sollte man auch mal auf die Umstände schauen und nicht nur auf das Kind.

Bessere Bedingungen kommen auch allen anderen Kindern zu Gute.

 

Solche Kinder gab es schon immer. Sie werden nur heute sichtbar, weil es immer „normaler“ wird, Kinder ernst zu nehmen, statt sie einfach zu übergehen oder den eigenen Vorstellungen und Erwartungen anzupassen. Und weil man heute mehr über seine eigenen Empfindungen und Gefühlszustände redet.

 

Wie bereits in einer der ersten Fragen erwähnt, gewinnt der Begriff Hochsensibilität immer mehr an Präsenz. Durch die meist sehr facettenreiche Charakterisierung von Hochsensibilität können sich wahrscheinlich so sehr viele Menschen mit einigen Wesenszügen identifizieren. Haben Sie das Gefühl, dass es zum „Trend“ wird oder eventuell schon ist sich als „Hochsensibel“ zu bezeichnen, um einigen Charaktereigenschaften einen Namen zu geben?

 

Das kann ich nicht bestätigen.

Ich studiere das Menschsein schon sehr lange.

Und meine Beobachtung ist, dass wir in einer Zeit leben, in der wir uns mit uns selbst auseinandersetzen. Das ist, was geschieht.

Das kann man als „in“ bezeichnen oder eben auch als einen natürlichen Bewusstseinsprozess.

 

In den bisherigen Zeiten hat es sich so entwickelt, dass die Menschen immer mehr den Zugang zu sich selbst, zu ihren eigenen echten Gefühlen, Empfindungen und wahren Grundbedürfnissen verloren haben und stattdessen sich im Außen orientieren.

Immer mehr Menschen sind heute bereit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, was in den letzten Generationen auf Grund der Umstände kaum möglich und nicht üblich war.

 

Oft ist es so, dass viele Menschen nichts von ihrer Hochsensibilität wissen und doch spüren, dass sie ihre Umwelt anders wahrnehmen und anders fühlen, als Menschen, die nicht hochsensibel sind. Dies kann wiederum auch negative Folgen, wie beispielsweise psychische Erkrankungen, nach sich ziehen.

 

Wie wichtig ist es Ihrer Meinung und auch der Erfahrungen nach, dass die Menschen von Ihrer Hochsensibilität erfahren? Was verändert sich eventuell nach der „Diagnose“?

 

Wie schon gesagt, ich finde, dass es wesentlich für jeden Menschen ist, sich selbst vollständig real zu sehen und zu verstehen. Seine Veranlagungen zu kennen und anzunehmen.

Das ist die Basis für gesundes Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. 

 

In meiner Facharbeit habe ich mich speziell auf das Thema „Hochsensible Kinder“ fokussiert. Um dabei noch einmal auf die vorherige Frage aufzubauen und einen genaueren Blick auf die Kinder zu werfen: Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, dass man, im besten Fall, bereits bei Kindern dieses Persönlichkeitsmerkmal „diagnostizieren“ bzw. einen sensiblen Charakter feststellen kann - besonders im Hinblick auf das spätere Leben, sowie dem Umgang mit Stress und verschiedenen Reizen aus der Umwelt?

 

Ich sehe es als einen der wichtigsten Faktoren an, dass ein Kind, ein Mensch zu Beginn seines Lebens, so sein darf wie er/sie ist. Es ist ein GRUNDbedürfnis von uns Menschen.

Je mehr ein Kind sich selbst von Anfang an versteht, umso mehr entwickelt es ein gesundes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, was ihm auch als Erwachsener bewahrt bleibt.

Auffällige Verhaltensweisen, egal ob besonders unruhig oder ruhig, haben oft auch damit zu tun, dass das Kind sich nicht richtig gesehen und verstanden fühlt.

 

Hochsensiblen Menschen wird nachgesagt, dass sie klug, kreativ, umsichtig, gewissenhaft oder auch perfektionistisch sind. Sind Ihnen in ihrer Arbeit mit hochsensiblen Menschen – speziell noch einmal im Hinblick auf die Kinder – ganz besondere Merkmale oder Einzigartigkeiten aufgefallen, die die hochsensiblen Menschen von nicht-hochsensiblen Menschen/ Kindern unterscheiden? Merkmale, die eventuell sehr häufig vorkommen und besonders prägnant, im Hinblick auf die Hochsensibilität, sind?

 

Ein ODER das wesentlichste Merkmal ist tatsächlich die feinere Wahrnehmung, die es oft mit sich bringt, dass Kinder und auch Erwachsene die HS sind, schneller etwas riechen, sehen, hören, fühlen, wahrnehmen.

Das hat Vor- und Nachteile in unserer Gesellschaft:

➔ Nachteil:

Ihnen wird schneller etwas zu viel oder unangenehm.

Ihr Speicher ist einfach schneller voll.

Sie spüren schneller ihre Grenzen und dadurch haben sie oft das Gefühl, mit ihnen stimmt etwas nicht.

Sie halten sich für schwächer und nicht belastbar.

 

➔ Vorteil:

Sie nehmen auch positive Situationen mehr und intensiver wahr.

Sie sehen schneller und mehr Details oder Zusammenhänge.

Dadurch können sie auch von „kleinen“ Momenten oder Dingen sehr erfreut oder fasziniert und begeistert sein.

Sie machen die anderen Menschen darauf aufmerksam, was diese vielleicht eher übersehen oder nicht so wahrnehmen.

Wer sich mehr spürt, ist u.U. mehr bei sich, mehr im Hier und Jetzt.

Mehr Wahrnehmung = mehr Infos = ggf. weitsichtigere Entscheidungen treffen, die auch den anderen weniger hochsensiblen Menschen kurzfristig und langfristig nützen.

 

➔ Sie haben die Aufgabe, zu lernen zu ihrer HS zu stehen, ohne sich damit zu identifizieren.

Dann werden die Nachteile schwächer und die Vorteile stärker. 

Sie sollten es als normal und selbstverständlich ansehen, sich zu etwas zu äußern, z.B. im Büro, ob das Fenster geschlossen werden kann, weil es zu kalt / zu laut ist und sie sich gestört fühlen.

 

Oft erinnert man die anderen dadurch auch an ihre Bedürfnisse, die sie mehr verdrängen können als ein Mensch der HS ist.

 

Wenn man Fachbücher liest, wird oft davon gesprochen, dass die Kinder den Umgang mit „besonderen Schwächen“ erlernen müssen. Aus diesem Grund bekommt man, während man liest, das Gefühl, dass Hochsensibilität ein eher negatives Persönlichkeitsmerkmal ist, dass mit psychischen Belastungen, körperlichen Beschwerden oder auch einer hohen Anfälligkeit an Stress einhergeht. Natürlich können dies Folgen von Reizüberflutungen sein, bei der das Gehirn, die Fülle der Reize, nicht mehr verarbeiten – besonders, wenn man eventuelle Signale des Körpers ignoriert. Auch ich, als hochsensible Person, kenne diese Folgen nur zu gut und weiß, wie belastend es manchmal sein kann.

Doch wie nehmen Sie die Hochsensibilität wahr? Kann es auch eine Stärke sein oder werden?

 

➔ Siehe meine letzten Aussagen unter „Vorteile“.

 

Man kann sich folgendes fragen:

Ist der Mensch falsch oder das Problem? Muss an dem Menschen etwas verändert werden?

Oder sind die Umstände oder Bedingungen falsch und das Problem?

 

Ich sehe HS als eine besondere Veranlagung, die man wie alle anderen Eigenschaften auch selbstverständlich akzeptieren lernen sollte.

Und jede Veranlagung, Gabe oder Eigenschaft zeigt uns, was alles zum Menschsein gehört.

 

Ein Mensch mit besonders großem Körper, großen Füßen oder hohem IQ machen uns bewusst, dass es das auch gibt, aber eben nicht alle Menschen so sind.

Und jeder Mensch kann mit seiner Eigenschaft seinen Teil zur Gemeinschaft beitragen.

 

Menschen die HS sind, sollten lernen, sich nicht als mangelhaft zu sehen, sondern als feinfühliger Mensch, der auf etwas hinweist.

Eine Gesellschaft, die feinfühliger und achtsamer mit sich umgeht, nützt allen Menschen.

 

Damit HS-Menschen ihre Gabe in die Welt bringen können, müssen sie allerdings ihr Selbst-Bewusstsein stärken. Dadurch sind sie gleich Vorbild für HS Kinder.

Je mehr man selbstverständlich dazu steht, umso mehr akzeptieren es die anderen ebenfalls als selbstverständlich.

 

Um die vorangegangene Frage zu erweitern: Hochsensibilität bringt natürlich auch viele positive Eigenschaften, wie beispielsweise die große Empathie oder andere, bereits genannte Eigenschaften, wie Kreativität und Gewissenhaftigkeit, die für die Kinder, ein Leben in der Gesellschaft sowie im Umgang mit ihren Mitmenschen, unterstützend wirken können.

Sehen Sie, im Hinblick auf die Eigenschaften, weitere Chancen für hochsensible Kinder?

 

Ja sehe ich.

Unsere Gesellschaft wird sich verändern und HS Kinder werden davon profitieren und einen wesentlichen Teil dazu beitragen.

 

Sehen Sie eventuell auch Risiken, die diese positiven Eigenschaften, wie beispielsweise durch das große Einfühlungsvermögen, mit sich ziehen könnten?

Wie könnte man die Kinder dahingehend unterstützen, um Risiken vorzubeugen?

 

Die beste und wesentlichste Unterstützung ist, dass wir Erwachsenen Vorbild sind.

Nur wenn wir zu uns selbst, in dem Fall zu unserer HS aber auch zu unseren anderen Eigenschaften stehen und diese selbstverständlich anerkennen (so wie andere Menschen andere Eigenschaften haben), können wir Kinder dabei unterstützen und stärken, ebenfalls selbstverständlich zu sich zu stehen.

 

Um wirklich etwas zu verbessern ist es wichtig, die Dinge umfassend und im Zusammenhang zu sehen und zu verstehen:

Das größte Problem, was ich im Zusammenhang mit HS sehe, ist, dass unsere Gesellschaft bisher nicht darauf ausgerichtet ist.

Die Umstände in der Vergangenheit und die daraus entstandenen Prägungen wurden seit Generationen weitergegeben.

Wir sind eine stark belastete Gesellschaft, die sich eher verschlossen und mit einem Selbstschutz begegnet, als offen und ehrlich.

Besonders Kinder und Erwachsene mit HS leiden darunter, da sie diese oft unterdrückten Stimmungen wahrnehmen, aber nicht zuordnen, geschweige denn mit jemandem klären können.

 

Daher sehe ich als 2 wesentliche Faktoren für eine wirkliche Unterstützung:

1. Wir Erwachsenen müssen zuerst die HS anerkennen und so ganz selbstverständlich als Vorbild voran gehen.

2. Das beinhaltet, dass Erwachsene mit HS lernen müssen, sich gesund abzugrenzen und auch für sich einzustehen. Etwas, was vielen schwer fällt, aber möglich ist, wie ich es selbst erfahren habe und bei anderen mehrfach beobachtet habe.

 

Wir sollten immer mal groß denken und uns fragen, wie wir uns die Gesellschaft, das Miteinander vorstellen und wünschen.

HS sind oft sehr offen dafür und sind daher für mich die „Trendsetter“ oder Vorreiter der neuen Zeit.

Wenn sie lernen, sich nicht mehr als mangelhaft zu sehen, sondern die HS als Stärke anzuerkennen, können sie die „Norm“ der Gesellschaft verändern.   

 

Oft werden Kinder, die empfindlicher und emotionaler erscheinen, als andere Kinder, oft mit dem unschönen Wort „Heulsuse“ abgestempelt, ohne dass sich Gedanken darübergemacht wird, warum das Kind, in dieser Lage, so empfindet und weint.

Was empfinden Sie als besonders wichtig im Umgang mit hochsensiblen Menschen bzw. speziell bei Kindern? Was sollte man beachten?

 

➔ Siehe auch meine letzten Aussagen

 

Besonders wichtig finde ich im Umgang mit HS Kindern, dass man sie ernst nimmt statt beurteilt, aber ohne zu sehr ins Mitleid zu gehen. HS Kinder sind sehr offen für echte und ehrliche Gespräche, natürlich altersentsprechend.

Man kann durch sie und mit ihnen lernen, denn sie weisen oft als erstes darauf hin, wenn etwas nicht „stimmt“.

Am Ende profitieren alle Kinder davon, wenn der Umgang mit Kindern und auch mit uns Erwachsenen feinfühliger und friedvoller ist.

 

Aber wie gesagt… man muss immer dazu sagen, dass der Erwachsene bei sich anfangen muss.

 

In meiner Facharbeit möchte ich, besonders im Bezug auf die Praxis, auf Stressmanagement und Stressbewältigung eingehen und wie man Kinder dahingehend unterstützen kann Stress zu vermeiden oder damit umzugehen.

Haben Sie Tipps, wie man dies angehen kann?

 

Meine jüngste Tochter wurde z.B. von ihrer Erzieherin (diesen Begriff finde ich, kann man gerne in Begleiterin umbenennen) in der Kita immer mal zur Seite genommen. Sie hat sich an ihrer Seite oder in einer ruhigen Ecke aufgehalten, wenn ihr alles zu viel wurde.

Ich habe als Mutter immer wieder selbstverständlich im Gespräch über mein Kind und ihre Art gesprochen bzw. ist es der Erzieherin selbst aufgefallen.

Die Erzieherin war sehr verständnisvoll.

Ist die Erzieherin das nicht, ist man als Mutter und Vater dazu aufgefordert, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, um damit angemessen umgehen zu können und für sein Kind einzustehen. Dass habe ich in all den Jahren getan und weiß daher, von was ich rede und dass es wirklich etwas bewegt.

 

Wenn ein Kind sich mit seinen Eigenschaften, in dem Fall HS, gesehen und ernst genommen fühlt, ohne dass es in irgendeiner Form gewertet wird (weder über- noch untertrieben wird) fühlt es sich sicher und kann lernen, mit seiner Eigenschaft / Veranlagung umzugehen.

 

Haben Sie eventuell auch Vorschläge, was pädagogische Fachkräfte in der Praxis tun könnten, um die Kinder in besonders stressigen oder hektischen Situationen zu unterstützen oder sie zu stärken?

 

➔ Ich habe die Antwort mit der nächsten Frage zusammengefasst. 

 

Neben der Unterstützung zur Stressbewältigung und dem Sicherheitsbedürfnis, ist es natürlich auch wichtig, die Kompetenzen der Kinder, zu fördern. Beispielsweise die sozialen Kompetenzen, die besonders ausgeprägt sein sollen. Hierbei gibt es allerdings gewisse Hürden, da viele hochsensible Kinder introvertiert sind und so oft, besonders in großen Gruppen, einen Wunsch nach Ruhe oder Rückzug verspüren, was es ihnen oft etwas schwerer macht, sich in eine Gruppe einzufügen. Aus diesem Grund werden oft ihre besonderen Eigenschaften, die so wichtig für eine Gruppe sind, nicht wahrgenommen.

Haben Sie Vorschläge oder Tipps, wie man die Kinder in der Gruppe unterstützen und die sozialen Fähigkeiten hervorheben kann und aber gleichzeitig auch darauf achtet, sie nicht zu überfordern und zu vielen Reizen auszusetzen?

 

➔ Siehe auch letzte Antworten

 

Es ist ein grundlegendes Umdenken nötig, dass am Ende allen zugutekommt.

Soziale Kompetenzen sollten bei allen Kindern gestärkt und gefördert werden. HS Kinder sind „nur“ die Aufrüttler.

 

Meine Vorschläge:

- Jeden Morgen einen Willkommenskreis (wenn alle da sind) und jeder darf (muss nicht) sagen wie es ihm geht oder was er fühlt. Oder was ihn gerade bewegt (je nach Alter).

Es wird niemand bewertet oder sonstiges. Jeder wird gehört und ernst genommen.

Dieser Umgang sollte natürlich auch den ganzen Tag über als Wert vermittelt werden.

- Wie Konflikte gelöst werden, sollte regelmäßig mit den Kindern besprochen werden und sie sollten selbst an der Lösung beteiligt sein.

Es gibt dafür auch externe Kurse die in Kitas und Schulen angeboten werden.

 

Die beste Unterstützung ist und bleibt ein Umfeld, wo ein sozialer, achtsamer und respektvoller Umgang selbstverständlich gelebt wird.

In so einem Umfeld kann jedes Kind so sein wie es ist, auch ein HS Kind.

Es ist dann nicht mehr „der / die Andere“.

➔ Wie gesagt:

HS wird nur dann zum Problem, wenn diese Veranlagung nicht einfach sein darf.

Wenn wir an einem besseren Umgang und Miteinander arbeiten, profieren am Ende alle davon.

 

Nun habe ich Ihnen umfangreiche Fragen zum Thema Hochsensibilität, besonders zu aber hochsensiblen Kindern, gestellt.

Gibt es von Ihrer Seite noch etwas, was Sie im Hinblick auf die Hochsensibilität, ihrer Arbeit mit hochsensiblen Kindern oder allgemein für den Umgang mit diesem Persönlichkeitsmerkmal, sagen oder mit auf den Weg geben möchten? Vielleicht auch, was Sie selbst durch die Arbeit mit hochsensiblen Menschen für sich mitgenommen oder gelernt haben?

 

Ich möchte da gerne auf meine bisherigen Antworten und Aussagen verweisen.

 

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben diese Fragen zu beantworten.

Ihre Miriam-Sophie Patsch

 

Gerne. Und danke auch an Sie.

Antje Jacobs


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